Herr Dipl.-Ing. Haverkamp, Sie haben am 27.10.2015 auf dem Seminar des Haus der Technik „Garnituren für Energiekabel“ zum Thema „Garnituren für Energiekabel: Anforderung, Feldsteuerung“ vor Ingenieuren, Elektromeistern, Technikern, Monteuren von Netzbetreibern und anderen Fachleuten referiert. Was motiviert Sie, an diesem Seminar als Dozent teilzunehmen?
Erstmal zeigt die Praxis immer wieder, dass das Thema Betriebssicherheit von Kabelanlagen nicht intensiv genug geschult und über die komplexen Zusammenhänge im Gesamtgefüge informiert werden kann. Letztlich muss man immer wieder feststellen, dass Kabelanlagen nur dann betriebssicher und auch wirtschaftlich betrieben werden können, wenn auch Muffen, Leiterverbindungen und Endverschlüsse so langlebig und sicher wie die Kabel selbst sind. Garnituren für Energiekabel müssen, vereinfacht dargestellt, so einfach, sicher, schnell und umweltschonend wie möglich zu montieren sein.
Außerdem ist das Seminar eine wichtige Zusammenkunft von Experten zu diesem Thema und ermöglicht neben der Informationsvermittlung auch den wichtigen Austausch der Teilnehmer und Dozenten miteinander. Und das erweist sich immer wieder als inspirierend.
Wenn Sie darüber sprechen, dass Kabelanlagen sicherer werden müssen – gibt es aus Ihrer Sicht signifikante Fehlerquellen bei der Montage von Energiekabeln?
Wenn man von einer Fehlerquelle in diesem Zusammenhang sprechen will, muss man wissen, dass der Monteur, mit seinen Kenntnissen, seiner Erfahrung und seinen Hilfsmitteln der Schlüssel für eine sichere Montage ist. Mit seinem Können steht und fällt die Qualität der Betriebssicherheit. Anders ausgedrückt: Ohne eine ausreichende Ausbildung, ohne handwerkliches Geschick und entsprechende Zertifikate potenziert sich das Risiko von schweren Montagefehlern. Die Zertifizierung der Monteure muss auch vom Auftragnehmer sichergestellt sein.
Gibt es aus Ihrer Sicht einen Katalog typischer Fehler?
Allerdings. Ein großes Manko ist häufig die Sauberkeit, zum Beispiel am Montageort oder auch bei den abgesetzten Kabeloberflächen. Seien es Ratterflächen vom Schälvorgang oder Reste der äußeren Leitschicht, die auch während der Montage nicht entfernt werden.
Ein weiterer wunder Punkt sind die Werkzeuge.
Nicht selten arbeiten unerfahrene oder unbedachte Monteure mit schadhaften Werkzeugen. Das beginnt bei stumpfen Schälgeräten und hört mit ausgearbeiteten Presswerkzeugen nicht auf. Überhaupt werden zum Beispiel Installationsanweisungen des Herstellers der Garnitur gar nicht und wenn, dann nur rudimentär gelesen. „Man kennt ja schon alles und hat alles gesehen.“ Schnell bleiben wichtige Herstellerangaben oder Änderungen unbeachtet. So kommt es manchmal dazu, dass die Produkte nicht zueinander passen – Kabel und Garnitur sind nicht wirklich miteinander kompatibel. Oder, die Position der Bauteile entspricht nicht den Herstellerangaben, weil die erst gar nicht gelesen wurden. Ein immer wieder auftretender Fehler passiert bei den Aufschiebegarnituren. Bevor die Bauteile aufgeschoben werden können, müssen die Flächen, die aneinander grenzen, klinisch sauber sein. Die verwendeten Gleitmittel müssen korrekt, also in der geforderten Menge, eingebracht werden, sonst können mechanische wie auch elektrische Fehler auftreten.
Ist ein Energiekabel erst einmal verlegt, hört die Kontrolle nicht auf. Welche Diagnoseverfahren empfehlen Sie an montierten Garnituren?
Diagnosen sind sehr wichtig, um die Betriebssicherheit der Garnitur beurteilen zu können. Dabei lautet der Grundsatz: Diagnoseverfahren sollen möglichst zerstörungsfrei sein. Wir unterscheiden dabei prinzipiell zwei Verfahren:
- Offline diskrete Methode
- Offline integrale Methode.
Die diskrete offline Methode wird dadurch gekennzeichnet, dass die Prüfstrecke – einschließlich der Garnituren – an eine externe Spannungsquelle angeschlossen wird. Im Anschluss finden eine TE-Messung und eine Pegelbewertung statt. Bei der integralen offline Methode wird ebenfalls eine externe Spannungsquelle verwendet. Die tan-Messung ergibt dabei den Wert für den integralen Zustand der Kabelisolierung.
Wieder zurück zur Montage. Man hört immer wieder, dass Seekabel Sonderfälle bei der Montage sind.
Das ist richtig. Seekabel werden vormontiert – zum Beispiel auf dem Verlegeschiff – und anschließend auf dem Meeresboden abgelegt bzw. eingespült. Bei den Landkabeln unterscheiden wir drei Verfahren. Innerstädtisch erfolgt die Montage von dem sogenannten Stadtkabel in vorhandene AZ-Rohre, die zuvor von den Ölpapierbleikabeln genutzt wurden. In ländlichen Bereichen kommt das Einpflügen sehr häufig zum Einsatz. Und darüber hinaus kennen wir den Kabelgraben und das Einsanden.
Energie ist ja ein unglaublich dynamischer Bereich. Inwieweit haben die erneuerbaren Energien Einfluss auf Energiekabel und die Garnituren?
Tatsächlich muss hier die Auslastung der Kabelanlage betrachtet werden – ebenso der Lastfluss. Diese Energien stehen nur volatil zur Verfügung und hängen von der Witterung, den Sonnenstunden und anderen diskontinuierlichen Parametern ab. So sind zu bestimmten Zeiten des Netzbetriebes Überlastungen möglich. Das ist eine bedeutsame Herausforderung für die Netzstabilisierung und -regelung, denn Überspannungen und unzulässige Stromerhöhungen beanspruchen Kabel und Garnituren häufig jenseits der zugelassenen Grenzwerte.
Wenn die Qualifikation der Monteure so entscheidend ist, was müssen Auftraggeber bei der Beauftragung eines Unternehmens beachten?
Der Auftraggeber sollte nicht nur, er muss sich vom Auftragnehmer unbedingt nachweisen lassen, dass dieser nur zertifiziertes, hoch qualifiziertes Personal bei der Umsetzung der Maßnahme einsetzt. Diese Bedingung muss bereits in der Ausschreibung formuliert sein. Und dies absolut unmissverständlich und eindeutig.
Ist die Formulierung in der Ausschreibung ein ausreichender Garant für eine ordnungsgemäße Durchführung der Montage?
Nein. Die Qualität der Arbeit muss auch während der Montage permanent einem Überwachungsprozess unterzogen werden. Die Praxis zeigt immer wieder, dass Baustellen oder Bauvorhaben an sich vor Überraschungen nicht gefeit sind bzw. diese mehr oder weniger anziehen. Hier kann nur eine ständige Überwachung der Arbeit für eine Sicherheit sorgen. Dabei sollten Monteure ein solches Vorgehen nicht negativ auffassen. Die Kontrolle durch den Auftraggeber schafft auch bei ihnen mehr Sicherheit, zum Beispiel wenn Unwägbarkeiten sofort berichtigt werden müssen. Werden andererseits erstmal Fehler gemacht und müssen diese nachträglich im Betrieb behoben werden, ist dies meist eine sehr kostspielige Angelegenheit.
Noch einmal zur Technik bei der Montage. Worin begründet sich der Unterschied zwischen der Kaltschrumpf- und der Warmschrumpftechnik?
Der Warmschrumpfkörper verfügt über keinen Stützkörper. Er wird aus teilkristallinem Polymer extrudiert oder gespritzt und dann auf den zu liefernden Durchmesser expandiert. Bei Zuführung von Wärme schmelzen die Kristalle und der Körper schrumpft auf sein Ursprungsmaß zurück. Diese Warmschrumpfkomponente ist zeitlich unbegrenzt verwendbar. Sie hat ein „Formgedächtnis“.
Der Kaltschrumpfkörper ist dagegen aus einem Elastomer hergestellt und aufgeweitet auf einem Stützkörper geparkt. Seine Lagerzeit ist begrenzt; da Elastomere im vorgespannten Zustand mit der Zeit ermüden. Die Hersteller geben daher eine maximale Lagerungszeit an, in der Regel mehrere Jahre.
Man hört immer wieder von Innen-Konussteckern und Außenkonussystemen. Welche Bedeutung haben diese Begriffe?
Diese Bezeichnungen beziehen sich auf Stecker. Hier unterscheiden wir nach Innenkonus- und Außenkonus-Kategorien. Stecker mit Außenkonussystem werden beispielsweise nur bei Transformatoren und Lasttrennschaltern für die Mittelspannung verwendet. Der Standard für diese Stecker findet sich in den DIN EN 50180 und DIN EN 50181.
Für Leistungsschaltanlagen und Hochspannungstransformatoren werden ausschließlich Innenkonus-Stecker montiert, die außer der Betriebslast zusätzlich Kurzschlußströme beherrschen müssen.
Eine letzte Frage. Was beinhaltet die Aufschiebetechnik?
Bei dieser Technik bestehen die Produkte aus nicht expandierten Elastomeren. Die einzelnen Baugruppen werden auf den abgesetzten Kabelenden positioniert. Nach Herstellung der Leiterverbindung werden diese Komponenten in die vorgeschriebene Position geschoben.
Wir bedanken uns herzlich bei Dipl.-Ing. Wolfgang Haverkamp für die Beantwortung unserer Fragen. Am 27.10.15 und 28.10.15 referierte er im Seminar „Garnituren für Energiekabel“ zum Thema im Haus der Technik mit viel Erfolg und regem Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen Referenten und Teilnehmern.
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